Erlernen einer flüssigen Schreibschrift unnötig?

In Finnland, dem Land, das bei PISA immer an vorderer Stelle zu finden ist, ist man auf eine grandiose Idee gekommen: Da der Umgang mit PC, Laptop und Smartphon inzwischen mehr zum täglichen Leben gehört, als beispielsweise einen Brief handschriftlich zu verfassen, will man in der Schule keine Schreibschrift mehr lehren lassen, sondern vorrangig den Umgang mit der Tastatur. Um überhaupt den Kindern noch die Möglichkeit zu geben, u. U. ein oder zwei Sätze schreiben zu können, soll lediglich eine "Grundschrift" gelehrt werden, also eine einfach Druckschrift.

Die finnische Bildungsministerin steht auf dem Standpunkt, das Schreiben mit der Hand, gar das Verbinden von Buchstaben, sei für Kinder schwierig. Wenn Schulen aber unbedingt eine Schreibschrift vermitteln wollen, so dürfen sie das. Das Tippen auf der Tastatur sei im übrigen eine Kompetenz.

Auch in Deutschland wird schon länger über den Sinn einer Schreibschrift nachgedacht, um den Kindern Pein zu ersparen. Da aber in Deutschland Bildung Ländersache ist, gibt es von Bundesland zu Bundesland Unterschiede. In Hamburg ist das Lehren einer Schreibschrift nicht mehr zwingend vorgeschrieben, in Bayern schon.

Deutsche Bildungsexperten sehen diese Entwicklung kritisch, da es wissenschaftlich erwiesen ist, dass das Niederschreiben eigener Gedanken das Lernen fördert. Amerikanische Untersuchungen unterstützen diese Ergebnisse. Hatten Probanden sich in Vorträgen handschriftliche Notizen gemacht, so konnten sie Inhalte später besser wiedergeben, als diejenigen, die das Ganze auf dem Laptop angefertigt hatten. Zwar ist man sich in Deutschland auch bewusst, dass die Handschrift immer weiter zurückgedrängt wird, doch dürfe der Aspekt des Förderns der Feinmotorik nicht vernachlässigt werden. Deshalb brauche man mehr Ressourcen für eben diese Förderung, fordert der Deutsche Lehrerverband.

Wir bei der AHA! Nachhilfe halten den Verzicht auf das Lehren einer Schreibschrift nicht nur aus dem Grunde, dass die Feinmotorik nicht mehr gefördert wird, für nicht gut, sondern ein anderer Aspekt kommt hinzu: Wir machen uns immer weiter und  mehr abhängig von der Technik. Dass wir heutzutage hilflos vor den Problemen der Elektronik stehen, wenn unser Auto mit wild blinkendem Display auf der Autobahn nachts bei Regen den Dienst versagt, daran haben wir uns gewöhnen müssen. Wollen wir, dass eines Tages unsere Kinder oder Enkel nicht mehr weiter wissen, wenn ihr Smartphon den Geist aufgegeben hat, oder der Ausruf: "Mist, kein Netz!" bedeutet, dass eine geschriebene Kommunikation nicht mehr möglich, also auch da "kein Netz" mehr vorhanden ist? Natürlich machen unsere Nachhilfelehrer immer wieder die Erfahrung, dass die verbundene Schreibschrift der Schüler eher Hieroglyphen ähnelt, doch liegt das für unsere Begriffe weniger an der Schreibschrift selber, sondern eher an der Einstellung der Schüler, man brauche das ja sowieso nicht mehr und von daher sei eine gewisse "Sauberkeit" der Schrift vernachlässigbar. Auf dem PC gibt es zusätzlich so ein schönes Rechtschreibprogramm, dem man sich blind anvertraut, wozu soll man da noch schreiben können und das gar orthographisch richtig?
In den Sechzigern gab es auf den Zeugnissen noch das Fach "Schönschreiben". Heute kommt uns das rückständig, verschroben und völlig überflüssig vor. Ist es das wirklich?
 

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